Die neue Lust auf Heimat

Die neue Lust auf Heimat

Der Spaß am Reisen ist ungebrochen, jeder Dritte will im Land bleiben. Sparen ist out: Die Ergebnisse des ADAC-Reisemonitors für 2010, der wichtigsten Studie über unser Urlaubsverhalten

Es ist noch nicht lange her, da galt die Adria als Badewanne der Deutschen. Zum Sandburgenbauen, Beachvolleyballspielen, Sonnen und Baden ging es nach Rimini. Wer etwas auf sich hielt, fuhr oder flog in den Süden: an die Adria, nach Mallorca. Die Ostsee galt als spießig, genauso wie der Harz oder der Bayerische Wald. 14 Tage Sankt Peter-Ording konnten zwar toll sein. Nur durfte keiner erfahren, dass es bloß an die Nordsee ging.

Später flogen die Deutschen in die Karibik, auf die Malediven und nach Kambodscha. Sie wurden Weltmeister im Verreisen. Spätestens seit der Fußball-WM 2006, als alle schwarz-rot-goldene Fähnchen schwenkten, haben die Deutschen angefangen, sich wieder zu ihrer Heimat zu bekennen: Was für ein Land! Was für Strände, Berge und Städte!

Daher wundert es kaum, dass dieses Jahr Deutschlandreisen so hoch im Kurs stehen wie lange nicht mehr: 34,5 Prozent der Bundesbürger wollen ihre Ferien im eigenen Land verbringen. Deutschland ist das beliebteste Reiseziel der Deutschen, das belegt der ADAC-Reisemonitor 2010. Die Studie, repräsentativ für fast 17 Millionen ADAC-Mitglieder gilt als Gradmesser für Trends und Analysen zum Reiseverhalten der Deutschen.

Das Interessante an diesem Ergebnis: Die neue Heimatliebe ist nicht allein auf die Finanz- und Weltwirtschaftskriese zurückzuführen. Wichtiges Fazit, so Max Stich, ADAC-Vizepräsident für Tourismus: „Krise hin, Krise her: Die Deutschen halten an ihren Reisegewohnheiten fest und gönnen sich weiterhin für die wenigen Wochen im Jahr Erholung und Entspannung.“

Die Lust am Reisen ist ungebrochen, Urlaub im Lebensstil der Menschen fest verankert. Und den lassen sich die Deutschen etwas kosten: Zwei Drittel der Befragten gaben an, im nächsten Urlaub nicht mehr zu sparen.

Über die Hälfte will ein Viersternehotel buchen. Glücklich sitzen die Deutschen, zumindest in Gedanken, auf gepackten Koffern und freuen sich auf die schönsten Wochen des Jahres. In der bevorstehenden Saison wollen 67 Prozent eine längere Urlaubsfahrt unternehmen. Führt die Reise über die Grenzen Deutschlands hinaus, liefern sich die beiden Mittelmeerländer Italien (9,5 Prozent) und Spanien (9,4 Prozent) ein Kopf-an-Kopf Rennen. Es folgen Österreich (6,7 Prozent), die Türkei (3,7 Prozent) und Griechenland (3,5 Prozent). Immer beliebter als Ziele innerhalb Europas werden laut ADAC-Reisemonitor auch Kroatien, Dänemark und Großbritannien; die drei Länder konnten um mehrere Prozent zulegen. Zu den Verlierern 2010 zählen die Schweiz, Osteuropa, Zypern und Südtirol. Gewinner bei den Fernreisen sind Afrika (3,8 Prozent), die USA (3,6 Prozent) und der Ferne Osten (2,4 Prozent).

Urlaub ist im Lebensstil fest verankert. Und den lassen sich die Deutschen etwas kosten

Weitere Resultate der ADAC-Studie: Auffällig ist, wie wichtig das Thema Sicherheit im Urlaub genommen wird: Lag es 2007 noch auf Platz 10, rangiert es inzwischen auf Platz 5. Auch bei den Urlaubsarten tut sich einiges: Kreuzfahrten werden populärer. So können sich 31 Prozent der Deutschen eine Seereise vorstellen, 4,3 Prozent werden in diesem Jahr eine buchen. Gerade bei jüngeren Leuten werden Kreuzfahrten immer beliebter. Die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wann es wohin geht, sorgt dafür, dass das Auto das wichtigste Transportmittel im Urlaub bleibt. Mit 54,7 Prozent überflügelt es das Flugzeug (35,7 Prozent). Weit abgeschlagen landen Bus (5,4 Prozent) und Zug (3,7 Prozent). „Gereist wird nach dem Motto: kurz, nah, weg“, sagt Max Stich. Bei Deutschlandzielen profitieren besonders Campingplätze und Ferienhäuser. “Da spüren wir den Trend zum sogenannten Cocooing – Menschen ziehen sich in ihre vier Wände zurück.“

Wie gut der Ruf des Reiseziels Deutschlands auch im Ausland ist, zeigt eine Studie aus dem vergangenen Jahr. Vom US-Unternehmen Future Brand wurden die Aktivitäten und das Image von rund 100 Ländern untersucht. In mehreren Kategorien konnte Deutschland die obersten Plätze erreichen: So war es die Nummer eins in puncto „unkompliziertes Reisen“ und „Lebensstandard“, erhielt zweite Plätze in Sachen „politische Freiheit“, „Sicherheit“ und „Umweltbewusstsein“. „Die Marke Deutschland unterscheidet von anderen europäischen Ländern, dass sie mit ihren innovativen und trendigen Städten wirbt“, analysiert die Studie. Für die ADAC-Experten ist die derzeitige Wiederentdeckung des eigenen Landes keine Überraschung. Touristik-Chef Marc Fleischhauer: „Deutschland ist als Reiseland auch bei den ADAC-Mitgliedern wieder en vogue. Denn es bietet eine Vielseitigkeit, die ihresgleichen sucht: wunderschöne Landschaften, romantische Städte, berühmte Sehenswürdigkeiten. Mit 33 Welterbestätten zählt Deutschland zu den großen Kulturnationen der Welt.“ Hinzu kommt ein gutes Preis-Leistungs- Verhältnis sowie eine breite Palette an Aktivurlaub. Professor Heinz-Dieter Quack, Leiter des Europäischen Instituts für Tourismus an der Universität Trier, sagt: „ In der Zielgruppe der 30- bis 40-Jährigen merken wir eine deutlich steigende Nachfrage bei Wanderurlaub und Radtouren.“ Eine Schönwettergarantie gibt es für Urlaub in Deutschland nicht. Aber selbst da hat Reiseexperte Quack gute Nachrichten: „ Das Wetter ist besser als das Image. In den letzen Jahren hatten wir gute Sommer, und die Wintersportregionen haben von einem kalten Winter profitiert.“

Text: Hans H. Krüger, Claudia Schuh, gelesen in ADAC Motorwelt, Heft 4 April 2010

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